Schocktober Teil 2 – Zukunftsverbrechen von Männern und unsichtbaren Männern
Hallo lieber Blog,
Ich liege wirklich gut im Schnitt. Nach 3 Tagen Schocktober kann ich schon 6 Filme abhaken. Ich denke, ich sollte mir auch etwas Puffer verschaffen – denn manche Filme dämpfen die Motivation erheblich. Aber man weiß ja vorher nie, welcher Film einen überraschen wird.
Crimes of the Future
Über Crimes of the Future hatte ich nur in Erinnerung, dass Viggo Mortensen jemanden spielt, der sich öffentlich Organe entfernen lässt – weil das in der Zukunft slay ist.
So ähnlich ist es auch. In einer Zeit, in der körperlicher Schmerz und Infektionen nahezu ausgelöscht sind, ist Viggo Mortensen einer der wenigen, der noch Schmerz verspüren kann. Zudem hat es die Evolution bei ihm mittlerweile besonders gut gemeint, denn ihm wachsen wahllos weitere Organe in seinem Körper. Die sind zu viel und müssen raus. Praktisch, dass er und seine Frau auch gleich Performance-Künstler sind, die das vor einem begeisterten Publikum machen. Ein Performance-Kollege meint, die Zeit des Redens sei vorbei – die Zeit des Zuhörens beginne, weswegen er sich Mund und Augen zunähen lässt, aber dafür zahllose Ohren an seinem Körper befestigt. Relativ schwache Metapher – „die meisten Ohren funktionieren nicht mal“.
Andere hatten die Idee, durch Verdauungsoperationen die Fähigkeit zu bekommen, Plastik zu essen. Das ist doch endlich mal eine sinnvolle Entwicklung! Die Regierung hat aber irgendwie was dagegen. Und Organtätowierungen kommen auch nicht so gut an. Und Sex ist nicht mehr so geil, deswegen lässt man sich operieren, weil das geil ist.
Ich will ehrlich sein – ich habe nicht alles verstanden, was David Cronenberg mir hier vermitteln will, aber Crimes of the Future ist sehr atmosphärisch, hat coole Ansätze zur organischen Technologie und sieht in den meisten ekligen Szenen verdammt gut aus, das Set Design und die Requisiten sind großartig. In der Zukunft muss nicht immer alles weiß, glatt und steril sein. Ich würde wirklich gern mal durch ein zukünftiges Ikea dieser Welt schlendern.
The Invisible Man
Der Unsichtbare wurde bereits mehrfach verfilmt. Was irgendwie paradox ist, wenn man darüber nachdenkt. Um die Unsichtbarkeit darzustellen, filmt man halt einfach … nichts. Einen leeren Raum zum Beispiel. Hammer Konzept. Das dachte sich auch Universal, die „The Invisible Man“ zum Teil ihres Dark Universe machen wollten – zu der Zeit noch mit Johnny Depp als Hauptfigur. Clever, denn wenn man ihn nicht sieht, muss man ihn auch nicht bezahlen! Nach Tom Cruise’s Mumienflop, hat man von der Idee aber wieder Abstand genommen. Deswegen darf Elisabeth Moss nun in einem eigenständigen Film vor der Unsichtbarkeit fliehen.
Genau hier liegt sowohl die Stärke als auch die Schwäche des Films. Moss flieht vor ihrem Genie-Milliardär-Playboy-Philanthropen-Ehemann, weil dieser wohl recht übergriffig, kontrollierend, toxisch und intrigant gewesen sein soll. Kurz nach ihrer Flucht begeht er Selbstmord. Doch ist er wirklich tot? Elisabeth Moss ist überzeugt davon, dass er sich unsichtbar machen kann und sie weiterhin verfolgt. Klingt ein wenig verrückt? Ich denke auch, wenn ich mich unsichtbar machen könnte, hätte ich Besseres zu tun, als meine Ex zu ärgern, aber ok.
Der Film spielt gut mit der Frage, ob das Gezeigte real ist oder sich alles nur im Kopf der Protagonistin abspielt – zumindest eine Zeit lang. Allerdings hat das auch zur Folge, dass sie sich sehr oft sehr langsam durch leere Räume bewegt. Das erzeugt bei mir leider keine Spannung, sondern wirkt ziemlich albern. Die Beobachterperspektiven sind zwar eine gute und logische Idee, werden aber überstrapaziert. Und wie cool kann es sein, ständig leere Möbelstücke zu filmen?
Irgendwann (meiner Ansicht nach viel zu spät) kommen die klassischen Fallen gegen Unsichtbare zum Einsatz. Farbeimer, Kaffeepulver, Regen. Ein langer Stock hätte ihr eventuell auch geholfen… Nach einer Stunde war ich ziemlich genervt vom Film, aber gegen Ende nahm er glücklicherweise wieder ein bisschen mehr Fahrt auf.
Men
Wie fang ich am besten mit “Men” an? Vielleicht indem ich schreibe, dass es ein A24-Film ist. Damit ist zumindest schonmal klar, dass alles passieren kann – von Daniel Radcliffe als furzende Leiche bis zum besten Adam Sandler Film. In diesem Fall darf man sich unter anderem auf eine Geburtenkette einstellen, die ich Schwangeren nicht empfehlen würde.
In Men mietet Harper (Jessie Buckley) ein Ferienhaus, um ihren Kopf freizubekommen und ihr Trauma mit ihrem Ex-Freund zu verarbeiten. Oh Boy, wird sie das verarbeiten. Das Ferienhaus startet als Garten Eden – ein großer Apfelbaum, akkurat geschnittene Hecken, Vogelgezwitscher. Die religiösen Anspielungen sind den ganzen Film über nicht zu übersehen.
Die Männer, die auftauchen, werden alle von Rory Kinnear gespielt – weil alle Männer gleich sind, you know? Die meisten Charaktere schwanken zwischen sympathisch und übergriffig. Manchmal ist es halt nur ein schmaler Grat, wir Männer haben es schon nicht leicht. Noch weniger leicht hat es allerdings Harper, die sich ständig in der Opferrolle wiederfindet und durchgehend verfolgt wird. Warum sie trotzdem dort bleibt, weiß wohl nur sie selbst – vermutlich weil der Plot vorgibt, dass sie ihr Trauma aufarbeiten muss.
Alex Garland fängt richtig schöne Kamerashots ein. Insbesondere die Naturszenen haben mir gefallen. Der Tunnel im Forest of Dean dürfte einen starken Besucherzuwachs bekommen. Die meisten werden allerdings enttäuscht sein, wenn sie feststellen, wie Echos tatsächlich funktionieren. Die CGI-Szenen hingegen schwanken zwischen ansehnlich und Uncanny Valley. Dieser Junge … Sowohl Cringe- als auch Albtraumpotential.