Frisch – oder: 9€ für die Sneak
Hallo lieber Blog,
wir waren in einem „frischen“ Film. Aber bevor ich dazu komme – möchte ich dir kurz erzählen, was besonders „frisch“ war. Das war beim Kinobesuch nämlich vor allem der neue Preis der Sneak!
2€ mehr legt man nun auf den Tisch. Für also mittlerweile 9€ gab’s als Bonus durch defekte Lautsprecher sogar noch direkt schlechteren Sound oben drauf. Ist doch ein fairer Deal oder?
Zugegeben, ich achte ja sonst tatsächlich wenig auf Ton (abgesehen von Filmen, in denen das Sounddesign wirklich herausragend ist – zuletzt z.B. bei Warfare), aber da ich Filme Zuhause meist auch nur über die Laptoplautsprecher höre – naja … you get the idea.
Hier hat sich aber dann in Saal 3 doch recht schnell gezeigt – Dat is’n bissken nervich. Ob nun Ruhrpott-Dialekt, Tonqualität oder beides – ich hab Dialoge teilweise einfach nicht verstanden. Sätze wie „Du bist … und das weißt du.“ oder „Und wenn du nicht … hättest, dann wäre sie jetzt nicht tot.“ machen es dann doch etwas schwieriger der Handlung zu folgen.
Da wir vorab bereits von den Tonproblemen wussten wurde unser obligatorisches „viel Spaß beim Film“ zum ironischen „viel Spaß beim Ton“. Aber ok. Dafür kann ja der Film nix.

Lieblingszitate:
„Wir Apachen halten zusammen.“
„Der Schlachthof ist kalt, wie der Galgen.“
„10.000 ist besser als wie nix.“
„Dann soll er selber die Mutter zum Blubbern bringen.“
„Ich wette, du wirst blinzeln.“
„Der Unterschied zwischen dir und deinem Bruder ist, dass du nicht mal ’ne Tracht Prügel abkannst.“
Dieser Film hat:
- eine ordentliche Fleischbeschau
- richtig starke, nahtlose Szenenübergange
- unnormal lange Standbildszenen mit leichtem Zoom – in denen ich mich wirklich gefragt hab, wofür die eigentlich da sind
Realtalk:
Frisch ist so ein Film, in dem ein aufgehängtes Schwein im Schlachthaus wieder lebendig wird, panisch um sein Leben kämpft und alle Mitarbeiter lachen. Wenn euch das schon zu viel ist, ist Frisch nichts für euch. Falls ihr dran bleibt, gibt euch eine Vergewaltigung als Audiobook dann den Knock Out.
Es ist die Geschichte von Kai und seinem Bruder Mirko. Kai ist der Schwächling, der im Gegensatz zu seinem Bruder, nichtmal ne Tracht Prügel abkann und Mirko muss bereits im jungen Alter für 8 Jahre sitzen und darauf war er „stolz wie Bolle“. Ich fang mal direkt mit dieser Geschwisterbeziehung an – denn da ich keinen Bruder habe mit dem ich aufgewachsen bin, kann ich diesen bedingungslosen (einseitigen) Zusammenhalt nicht ganz nachvollziehen. Mirko ist leider nicht nur der schlimmste Bruder aller Zeiten, sondern einfach der schlimmste Mensch aller Zeiten. Seine Motivation wird mir im gesamten Film nicht klar – offenbar muss er einfach ein Arschloch sein. In allen Lebenslagen. Auf Letterboxd schrieb jemand „One of the most uncomfortable German films this decade“ – jo.
Davon mal abgesehen hat der Film wirklich starke Elemente. Der Wechsel zwischen den unterschiedlichen Zeitebenen in denen die Geschichte erzählt wird, passiert so smooth, dass man sich anfangs erstmal fragt, was denn jetzt passiert ist und wer denn jetzt plötzlich die Leute sind. Denn jede Figur wird in der jeweiligen Zeitebene von einem anderen Darsteller verkörpert. Das macht die Orientierung zunächst etwas schwierig, vor allem da das optische Casting nicht ganz so optimal gelaufen ist (blond wird zu dunkelhaarig). Dafür bringt jeder Darsteller seine eigenen Stärken mit und das macht jede Geschichte spannend. Dazu kommt die Third Person (aka. die Stimme in Kais Kopf), die sich mit der Zeit ebenfalls verändert. Warum genau die Stimme da ist und warum es in manchen Momenten sehr meta wird (mit mind. 2 direkten Blicken in die Kamera bzw. zum Publikum), hab ich nicht so ganz verstanden. Ähnlich wie bei vereinzelten „Standbildszenen“, in denen seeehr langsam rausgezoomt wird. Ich hab mich währenddessen wirklich gefragt, ob der Cutter kurz eingeschlafen ist oder ob das Konzeptkunst ist: „Ok Marne. Die Szene geht schon viel zu lange. Das wird ja einen Grund haben. Schau doch mal hin. Was will mir der Film jetzt sagen?“. Doch dann war die Sequenz irgendwann vorbei und ich blieb dennoch ohne Ergebnis zurück.
Auf der anderen Seite schafft es „Frisch“ aber auch Sequenzen zu schreiben, in denen minutenlange ungläubige Stille im angespannten Kinosaal herrscht.
Es ist wirklich ein Wechselbad der Gefühle. Im einen Moment ist man fassungslos und gefesselt aufgrund der Taten die sich abspielen, im nächsten Moment fragt man sich, warum sich eine zwischendrin stark thematisierte Spiel- und Wettsucht später einfach im Nichts auflöst. #Wonderfoot
Das Skript schwank dementsprechend zwischen sehr eindringlich und ziemlich lieblos.
Bei den ganzen Winnetoo und Old Shatterhand Anspielungen hätte am Ende eigentlich nur noch ein „Indianer kennen keinen Schmerz“ gefehlt. um wirklich jedes Vorurteil/Klischee mitzunehmen.
TL;DR:
Frisch ist ein kaputter Film über kaputte Menschen (oder zumindest einen), gespielt mit vollem Körpereinsatz. Die Darstellenden machen ihre Sache mal besser und mal schlechter und die Story schwankt zwischen trügerischem Realismus und absurdem Machogehabe. Der Film hat Mut. Aber Mut allein reicht leider auch nicht.
PS:
Die Sneak kostet nun tatsächlich 9€. Wenn man allerdings CinstarCard Mitglied ist, bekommt man weiterhin den alten Preis. Also in dem Falle dann zumindest ein fairer Kompromiss und genau die Lösung die wir uns (als superschlaue Endkonsumenten, die natürlich alles besser wissen, als die Führungsetage eines internationalen Kinokonzerns) auch überlegt hatten. Glück gehabt – ansonsten hätte sich in die nächsten Reviews wohl noch wesentlich mehr Cinestar-Rant eingeschlichen.