The Ugly Stepsister – oder: The Substance im Märchengewand
Hallo lieber Blog,
Es war einmal ein Mädchen, das nicht in einen Schuh passte – also schnitt sie sich die Ferse ab. Soweit so gut. Aber was tat sie eigentlich sonst noch so, um dem Prinzen zu gefallen?

Lieblingszitate:
„Sieh in den Spiegel, mein Herz.“
„Sie muss gezähmt werden.“
„Wuff.“
„Essen Sie gern Austern?“ – „Nein.“
„Essen Sie gern Fisch?“ – „Nein.“
„Essen Sie gern Garnelen?“ – „… Ja.“
Dieser Film hat:
– eine fatale Kuchenschlacht
– mich zwischenzeitlich würgen lassen (und das passiert wirklich selten)
– starke Kritik an Schönheitsidealen und einen Schlag in die Magengrube für alle GNTM-Fans
Anzahl Logos vorm Film: 3x Festival + 3x Studio
Realtalk:
Es war einmal an einem fernen Ort, wo Geschichten wie goldene Äpfel von der Leinwand fielen und ich gemeinsam mit ein paar Wegbegleitern die neuesten Werke genießen wollte. Die Weisen nannten diesen magischen Ort, an dem Wunder wahr werden können, „Berlinale“. An diesem Ort und zu jener Zeit sollte eines Tages eine märchenhafte Filmvorführung stattfinden – über die böse Stiefschwester von Aschenbrödel. Doch ich entschied mich dagegen. Aus Rücksicht auf meine Freunde.
Doch das Schicksal hatte andere Pläne und so ergab es sich, dass diese märchenhafte Filmvorführung erneut den Weg zu mir finden sollte. Diesmal in einer magischen Umgebung, die sich „Cine Sneak“ nennt. Und nach dieser Erfahrung kann ich sagen:
HOLY MOLY! Zum Glück habe ich mich gegen die Berlinale-Vorführung entschieden – meine Freunde hätten mir das wohl nicht verziehen.
Ähnlich erging es wohl ein paar Sneak-Besuchern, die bereits nach zwei Minuten den Saal verließen. Mein Sitznachbar war froh, dass er sein Popcorn rechtzeitig geschafft hatte. Und das zu Recht. Denn er wusste bereits, was auf uns zukommt.
Elvira von Stepsyster ist die weniger beliebte Stiefschwester der wunderschönen Aschenputtel. Und das bekommt sie auch durchgehend zu spüren. Im einer Welt, in der nur das Äußere zählt, wird ein kleines, naives Mädchen sozial aus wirklich jeder Richtung getreten. Selbst von ihrer skrupellosen Mutter wird sie nur dazu benutzt, möglichst viel Geld herauszuschlagen – und das funktioniert natürlich am besten, wenn man sich einen reichen Prinzen angelt. Und um das zu erreichen, schreckt sie auch vor bestialischen Schönheitsoperationen an ihrer eigenen Tochter nicht zurück.
Spätestens an dieser Stelle geht es richtig zur Sache. Dieser Film ist wirklich nichts für schwache Nerven. Bodyshaming und Bodyhorror reiten gemeinsam in den Sonnenuntergang. Das erinnert nicht nur an die Fressflashs aus The Whale und David Hasselhoffs Burgereskapaden, sondern packt auch noch das Drei Haselnüsse für Aschenbrödel-Theme mit rein. Denn das Märchenfeeling findet in diesem Ekelspektakel trotzdem statt – für uns als Zuschauer allerdings nur nebenbei im Hintergrund. Und das trägt sogar noch weiter zum Makabren bei.
Nur drei Vollmonde, zwei Augen Kokain und ein gluckernder Magen später muss sich Elvira in einen Schuh zwängen, der ihr leider etwas zu klein ist. Und mit „etwas“ meine ich: Der passt wohl gerade so einer Baby Born… Aber viel mehr muss ich gar nicht sagen – ihr kennt die Geschichte. Und im Gegensatz zur Hauptfigur schneidet der Film wirklich nirgendwo weg.
Als größten Kritikpunkt sehe ich die körperliche Figur der Hauptdarstellerin. Sie ist eben nicht das enorm hässliche Mädchen, sondern eine junge Frau mit einem „normalen“ Körper, bei der man denkt – vermutlich hilft auch einfach schon eine neue Frisur… Ich verstehe durchaus, dass das unsere von Heidi Klum geprägten Schönheitsideale anprangern soll. Wenn selbst Jennifer Lawrence in Hollywoodkreisen bereits während der Hunger Games-Dreharbeiten als „chubby actress“ galt, läuft offensichtlich schon sehr lange sehr viel verkehrt. Aber trotzdem hatte ich durchgehend den Gedanken: Wie fühlen sich wohl Menschen, die eben nicht diesen „normalen“ Körper haben? Wenn Elvira schon als fett und hässlich beschimpft wird, steigert das vermutlich nicht unbedingt das eigene Selbstbewusstsein …
Unabhängig davon bin ich sehr zufrieden, dass mich das Comicpark-Wochenende am Ende noch mit diesem Märchen belohnt hat. Von nun an kann ich „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“ viel zufriedener mitsummen, weil ich weiß, was zwischen Kürbiskutschen und nähenden Mäusen sonst so abgeht.
Und wenn sie nicht gestorben sind, dann ist das hoffentlich erst der Startschuss für noch viel, viel mehr von diesen düsteren Märchenvarianten.